kindheitserinnerungen:

es muss 1989 oder 1990 gewesen sein. ich war 12 oder 13 jahre alt, es war kurz nach der wende und der kunstgewerbeladen in strausberg war schon seit jahren an genau der gleichen stelle. an diesem tag aber, lag dort erstmals kostenfrei das wom journal aus. ich verstand das alles nicht. eine westzeitung. und dann auch noch umsonst. ich hatte auch keine ahnung was das wom ist. um ehrlich zu sein, mutmasste ich, die zeitung würde eigentlich "wow" heissen und der letzte buchstabe wäre falsch herum gedruckt, und dass sie deshalb kostenlos verteilt würde. ich kannte, glaube ich, keinen einzigen der künstler, die in diesem magazin besprochen wurden. ein foto aber, beeindruckte mich nachdrücklich. es war eine schwarz-weiss aufnahme. sie zeigte einen jungen mann in schwarzer kleidung und mit schulterlangen haaren, der in seiner wohnung stand. die wand hinter ihm war komplett mit einer schwarzen stoffbahn bespannt, die voller herausgerissenen puppenköpfe hing. ich war zwölf, in der DDR aufgewachsen, die wende war in strausberg noch nicht wirklich angekommen und ich hatte soetwas noch nie gesehen. der junge mann blickte ebenso melancholisch, wie auch eine spur selbstgerecht und trotzig in die kamera. dieser typ musste einfach cool sein und ich spürte sofort eine geistige verbundenheit mit ihm. laut bildunterschrift war sein name phillip boa.

als 1991 das album "helios", für mich bis heute boas bestes album, erschien, war das die initialzündung für mich. ich glaube, ich habe wenige platten so oft gehört und so oft auf musikkasetten überspielt um sie an andere weiterzugeben. was war das für eine musik! "life after being a zombie"! "puppets on a strang"! "30 man on a dead mans grave"! jeder song ein ausrufezeichen. und natürlich "and then she kissed her". was war das für eine frau, die eine solche stimme haben konnte? wer war dieser boa, dass er solche musik schrieb? "helios" war für mich kein album, sondern das tor zu einer neuen welt.

nach diesem "helios" erweckungserlebnis wurde es allerdings in meinem leben boa-technisch ruhig. die großartige pia lund verliess die band und boa machte scheiss alben wie "god" oder jesus killing machine". (was sollte dieser fuck titel, frage ich mich bis heute - praise the lord!) den unschönen höhepunkt dieser phase erlebte ich 2000 auf dem m'era luna festival als der unambitioniert spielende - deutsche - phillip boa sein sichtlich gelangweiltes, desinteressiertes - überwiegend deutsches - auditorium von der bühne aus in schlechtem englisch vollpöbelte: "i'm not an entertainer. i can not say 'clap your hands' or something. i just can stand here and sing." das konzert fand im hellen statt. um 14.30 uhr oder so. auf der kleinen bühne. niemand, weder künstler noch publikum, hatte, glaube ich, lust auf diese veranstaltung. zu boas ehrenrettung muss man sagen, dass das sisters of mercy konzert ganz genau so ablief. dafür waren project pitchfork headliner. die indie-welt war wohl zu dieser zeit etwas aus den fugen.

nun ist aber gerade die neue boa-single "on tuesdays i'm not as young" erschienen. ich kann wirklich nicht sagen warum, aber aus irgendeinem grund hatte ich lust, mir diese platte vor dem wochenende zu kaufen. und siehe da - da ist er wieder, der junge mann der 1990 vor der wand mit den puppenköpfen stand. überhaupt ist alles wie früher. die alte magie ist zurück. pia lund singt wieder mit. und während ich diesen artikel schreibe, läuft "on tuesdays i'm not as young" bestimmt schon das achte oder neunte mal durch. und ich freue mich verdammt noch mal darauf, sie das zehnte mal zu hören.

p.s. hey boa, schön dass du wieder da bist. wo bist du so lange gewesen? und wer war eigentlich der spinner, der sich auf dem m'era luna für dich ausgegeben hat?